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Öffentliche Zugänglichmachung auch bei unverlinkten Dateien auf Servern?

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immer noch zu sehenIm Urheberrecht gibt es häufiger das folgende Szenario, das uns diese Woche in einem Gerichtsverfahren beschäftigt hat: Ein urheberrechtlich geschütztes Werk – in unserem Fall ein professionelles Foto – wurde ohne Lizenz auf diversen Internet-Plattformen online gestellt. Das Foto wurde dabei jeweils zur Bebilderung redaktioneller Beiträge genutzt, in denen es um die Trends im Herbst-Makeup 2010 ging.

Eine der abgemahnten Plattformen hatte eine Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtete, das Foto nicht mehr öffentlich zugänglich zu machen. Sie entfernte den Beitrag und löschte das Foto auf fast allen Servern, auf einem Server war das Bild jedoch in kleineren Abmessungen und geringerer Auflösung zu finden. Das Bild war jedoch nirgendwo mehr verlinkt, der redaktionelle Beitrag war entfernt, so dass man nur noch durch direkte Eingabe der URL – oder ggf. durch Suchmaschinen oder ähnliche Hilfsmittel – das Foto aufrufen konnte.

Die zentrale Rechtsfrage ist dann, ob dies noch eine „öffentliche Zugänglichmachung“ nach § 19a UrhG bedeutet, d. h. ob man ein rechtswidrig verwendetes Foto vollständig löschen muss oder es genügt, wenn das Foto schwer auffindbar ist. Im  Presserecht ist durchaus denkbar, dass eine Veröffentlichung einer bestimmten Bild-Text-Kombination rechtswidrig ist, ein Bild isoliert ohne Text jedoch gezeigt werden darf. Für das Urheberrecht gilt dies nicht.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, § 19a UrhG.

Der Beklagte verteidigte sich damit, dass das Foto nicht dazu bestimmt sei, von der Öffentlichkeit gefunden zu werden, da es nicht verlinkt sei und die URL der Öffentlichkeit nicht bekannt sei. Während es in unserer Sache voraussichtlich kein Urteil geben wird, offenbart ein Blick auf die Rechtsprechung, dass sich die Gerichte in dieser Frage nicht immer einig sind.

Das Landgericht Berlin hat in dieser Frage schon beide Auffassungen vertreten. Die Entscheidung (Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. März 2010 – 15 O 341/09, ZUM 2010, 609) ist schon deswegen lesenswert, weil das Gericht erst ausführlich seine frühere Auffassung zitiert, um diese dann selbst zu demontieren und den gegenteiligen Standpunkt zu vertreten.

Früher:

„In der bloßen Bereithaltung einer Datei auf einem Server dürfte zwar kein öffentliches Zugänglichmachen liegen (…)

Denn dies setzt nach Auffassung der Kammer voraus, dass das Werk für die Öffentlichkeit unter Nutzung der üblichen Zugangswege erreichbar ist. Zur Begründung ist auf § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG zu verweisen, wonach die Wiedergabe nur dann öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Von einer solchen Bestimmung kann jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn der angebliche Rechtsverletzer das Werk derart wiedergibt, dass allenfalls zufällig davon Kenntnis zu nehmen ist.

[Voraussetzung ist, dass] die rechtsverletzenden Kartographien den interessierten Nutzern bei üblichen bzw. typischen
Nutzungshandlungen im Internet zur Kenntnis gelangt sein müssen.(…)

Das Auffinden über eine Bildersuchmaschine ist aber kein üblicher Zugangweg, sondern steht einer zufälligen Kenntnisnahme gleich.“

Doch dann kam der Sinneswandel, inspieriert durch das OLG Hamburg, Beschluss vom 8.2.2010 – 5 W 5/10MMR 2010, 418:

An dieser Ansicht hält die Kammer nach Überprüfung nicht fest. Vielmehr tritt sie der im Urteil vom 9. April 2008 im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 U 124/07 von dem OLG Hamburg (ZUM-RD 2009, 72) vertretenen Auffassung bei, das ausgeführt hat:

Denn § 19 a UrhG setzt lediglich voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende geschützte Werk eröffnet wird. Maßgebliche Handlung ist somit das Zugänglichmachen des Werkes. Dieses ist aber bereits im November 2006 geschehen, als die Beklagte über ihren Mitarbeiter die Stadtplanausschnitte als pdf-Datei in ihre Website integrierte.

Der Tatbestand des § 19 a UrhG setzt dagegen nicht voraus, dass die zunächst vorhandene Zweckbestimmung des Werknutzers beständig und aktuell vorliegt. Vielmehr liegt eine öffentliche Zugänglichmachung auch dann (noch) vor, wenn der Verletzer kein Interesse an der Zugänglichmachung mehr hat, es aber versäumt, das Werk vollständig aus seinem Internetauftritt zu beseitigen. Dem dürfte der Fall gleichstehen, dass der Werknutzer nur unzulänglich den Zugang beseitigt und das Werk weiterhin z. B. durch Direkteingabe der betreffenden URL oder durch Eingabe naheliegender Suchbegriffe über Suchmaschinen Dritten jederzeit zur Verfügung steht. Entscheidend ist in Fällen wie dem vorliegenden somit, dass das urheberrechtlich geschützte Werk faktisch der Öffentlichkeit weiter zugänglich ist (vgl. bereits Senat ZUM 2007, 917)“.

Nachdem das Gericht das OLG Hamburg, übrigens in vorbildlicherweise unter Angabe aller Quellen und der wörtlichen Wiedergabe – nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit -, zitiert hat, argumentiert es weiter mit den besonderen Pflichten des Verletzeres, die Störung zu beseitigen:

„Wird aber von dem Nutzer eines Gegenstandes, im Hinblick auf den nur die Möglichkeit urheberrechtlichen Schutzes zu Gunsten eines Dritten besteht, verlangt, dass er die entsprechenden zur Sicherung der berechtigten Belange des Urhebers erforderlichen Ermittlungen anzustellen hat, so kann es nicht angehen, dass derjenige, der von einer bestimmten, von ihm begangenen Urheberrechtsverletzung Kenntnis hat und der sich zur Unterlassung weiterer Verletzungen verpflichtet hat, sich darauf beschränken darf, nur den unmittelbarsten, üblichsten, nicht aber auch den direkten Weg zur unerlaubten Nutzung des geschützten Gegenstandes zu beseitigen.

Vielmehr wird durch die Verletzung die Verpflichtung begründet, das verletzte Werk umfassend aus dem durch die Urheberrechtsverletzung in ihrer konkreten Form eröffneten Zugriffsbereich zu entfernen. Hierzu zählt es aber auch, das Werk von allen Servern, Verzeichnissen und aus allen Speichern, in denen es enthalten sein könnte, dauerhaft zu entfernen, weil sonst stets die Möglichkeit besteht, dass beispielsweise über ein Backup das Werk wieder dem allgemeinen Zugriff über die jeweilige Internetseite ausgesetzt sein könnte oder aber auch, wie vorliegend, jedenfalls für interneterfahrene Sucher vergleichsweise leicht anhand einer naheliegenden URL abgerufen werden kann.“

Diese Argumentation ist angesichts der Systematik des Urheberrechtsgesetzes überzeugend. Wer gegen das Urheberrecht verstößt, tut gut daran, sämtliches rechtswidrig veröffentliches Material lückenlos zu entfernen. (ca)

(Bild: © Lennartz – Fotolia.com)

immer noch zu sehenIm Urheberrecht gibt es häufiger das folgende Szenario, das uns diese Woche in einem Gerichtsverfahren beschäftigt hat: Ein urheberrechtlich geschütztes Werk – in unserem Fall ein professionelles Foto – wurde ohne Lizenz auf diversen Internet-Plattformen online gestellt. Das Foto wurde dabei jeweils zur Bebilderung redaktioneller Beiträge genutzt, in denen es um die Trends im Herbst-Makeup 2010 ging.

Eine der abgemahnten Plattformen hatte eine Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtete, das Foto nicht mehr öffentlich zugänglich zu machen. Sie entfernte den Beitrag und löschte das Foto auf fast allen Servern, auf einem Server war das Bild jedoch in kleineren Abmessungen und geringerer Auflösung zu finden. Das Bild war jedoch nirgendwo mehr verlinkt, der redaktionelle Beitrag war entfernt, so dass man nur noch durch direkte Eingabe der URL – oder ggf. durch Suchmaschinen oder ähnliche Hilfsmittel – das Foto aufrufen konnte.

Die zentrale Rechtsfrage ist dann, ob dies noch eine „öffentliche Zugänglichmachung“ nach § 19a UrhG bedeutet, d. h. ob man ein rechtswidrig verwendetes Foto vollständig löschen muss oder es genügt, wenn das Foto schwer auffindbar ist. Im  Presserecht ist durchaus denkbar, dass eine Veröffentlichung einer bestimmten Bild-Text-Kombination rechtswidrig ist, ein Bild isoliert ohne Text jedoch gezeigt werden darf. Für das Urheberrecht gilt dies nicht.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, § 19a UrhG.

Der Beklagte verteidigte sich damit, dass das Foto nicht dazu bestimmt sei, von der Öffentlichkeit gefunden zu werden, da es nicht verlinkt sei und die URL der Öffentlichkeit nicht bekannt sei. Während es in unserer Sache voraussichtlich kein Urteil geben wird, offenbart ein Blick auf die Rechtsprechung, dass sich die Gerichte in dieser Frage nicht immer einig sind.

Das Landgericht Berlin hat in dieser Frage schon beide Auffassungen vertreten. Die Entscheidung (Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. März 2010 – 15 O 341/09, ZUM 2010, 609) ist schon deswegen lesenswert, weil das Gericht erst ausführlich seine frühere Auffassung zitiert, um diese dann selbst zu demontieren und den gegenteiligen Standpunkt zu vertreten.

Früher:

„In der bloßen Bereithaltung einer Datei auf einem Server dürfte zwar kein öffentliches Zugänglichmachen liegen (…)

Denn dies setzt nach Auffassung der Kammer voraus, dass das Werk für die Öffentlichkeit unter Nutzung der üblichen Zugangswege erreichbar ist. Zur Begründung ist auf § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG zu verweisen, wonach die Wiedergabe nur dann öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Von einer solchen Bestimmung kann jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn der angebliche Rechtsverletzer das Werk derart wiedergibt, dass allenfalls zufällig davon Kenntnis zu nehmen ist.

[Voraussetzung ist, dass] die rechtsverletzenden Kartographien den interessierten Nutzern bei üblichen bzw. typischen
Nutzungshandlungen im Internet zur Kenntnis gelangt sein müssen.(…)

Das Auffinden über eine Bildersuchmaschine ist aber kein üblicher Zugangweg, sondern steht einer zufälligen Kenntnisnahme gleich.“

Doch dann kam der Sinneswandel, inspieriert durch das OLG Hamburg, Beschluss vom 8.2.2010 – 5 W 5/10MMR 2010, 418:

An dieser Ansicht hält die Kammer nach Überprüfung nicht fest. Vielmehr tritt sie der im Urteil vom 9. April 2008 im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 U 124/07 von dem OLG Hamburg (ZUM-RD 2009, 72) vertretenen Auffassung bei, das ausgeführt hat:

Denn § 19 a UrhG setzt lediglich voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende geschützte Werk eröffnet wird. Maßgebliche Handlung ist somit das Zugänglichmachen des Werkes. Dieses ist aber bereits im November 2006 geschehen, als die Beklagte über ihren Mitarbeiter die Stadtplanausschnitte als pdf-Datei in ihre Website integrierte.

Der Tatbestand des § 19 a UrhG setzt dagegen nicht voraus, dass die zunächst vorhandene Zweckbestimmung des Werknutzers beständig und aktuell vorliegt. Vielmehr liegt eine öffentliche Zugänglichmachung auch dann (noch) vor, wenn der Verletzer kein Interesse an der Zugänglichmachung mehr hat, es aber versäumt, das Werk vollständig aus seinem Internetauftritt zu beseitigen. Dem dürfte der Fall gleichstehen, dass der Werknutzer nur unzulänglich den Zugang beseitigt und das Werk weiterhin z. B. durch Direkteingabe der betreffenden URL oder durch Eingabe naheliegender Suchbegriffe über Suchmaschinen Dritten jederzeit zur Verfügung steht. Entscheidend ist in Fällen wie dem vorliegenden somit, dass das urheberrechtlich geschützte Werk faktisch der Öffentlichkeit weiter zugänglich ist (vgl. bereits Senat ZUM 2007, 917)“.

Nachdem das Gericht das OLG Hamburg, übrigens in vorbildlicherweise unter Angabe aller Quellen und der wörtlichen Wiedergabe – nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit -, zitiert hat, argumentiert es weiter mit den besonderen Pflichten des Verletzeres, die Störung zu beseitigen:

„Wird aber von dem Nutzer eines Gegenstandes, im Hinblick auf den nur die Möglichkeit urheberrechtlichen Schutzes zu Gunsten eines Dritten besteht, verlangt, dass er die entsprechenden zur Sicherung der berechtigten Belange des Urhebers erforderlichen Ermittlungen anzustellen hat, so kann es nicht angehen, dass derjenige, der von einer bestimmten, von ihm begangenen Urheberrechtsverletzung Kenntnis hat und der sich zur Unterlassung weiterer Verletzungen verpflichtet hat, sich darauf beschränken darf, nur den unmittelbarsten, üblichsten, nicht aber auch den direkten Weg zur unerlaubten Nutzung des geschützten Gegenstandes zu beseitigen.

Vielmehr wird durch die Verletzung die Verpflichtung begründet, das verletzte Werk umfassend aus dem durch die Urheberrechtsverletzung in ihrer konkreten Form eröffneten Zugriffsbereich zu entfernen. Hierzu zählt es aber auch, das Werk von allen Servern, Verzeichnissen und aus allen Speichern, in denen es enthalten sein könnte, dauerhaft zu entfernen, weil sonst stets die Möglichkeit besteht, dass beispielsweise über ein Backup das Werk wieder dem allgemeinen Zugriff über die jeweilige Internetseite ausgesetzt sein könnte oder aber auch, wie vorliegend, jedenfalls für interneterfahrene Sucher vergleichsweise leicht anhand einer naheliegenden URL abgerufen werden kann.“

Diese Argumentation ist angesichts der Systematik des Urheberrechtsgesetzes überzeugend. Wer gegen das Urheberrecht verstößt, tut gut daran, sämtliches rechtswidrig veröffentliches Material lückenlos zu entfernen. (ca)

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