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Peinliche Fotos im Internet – Ist der digitale Radiergummi X-pire die Lösung zur Löschung?

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Jeder kennt inzwischen die Problematik, dass das Internet nichts vergisst. Wenn das Internet Peinlichkeiten, Umstände aus dem Privatleben oder sogar aus dem Intimleben perpetuiert, kann das für den Betroffenen äußerst unangenehme Folgen haben.

Hochladen durch Dritte

Wird der Inhalt durch Dritte ins Netz gestellt, gibt es verschiedene Ansätze dagegen rechtlich vorzugehen. Bei Bildnisveröffentlichungen ohne Einwilligung greift beispielsweise der besondere Persönlichkeitsschutz nach §§ 22, 23 KUG. Lädt ein Dritter ein Foto ins Netz, welches man selbst geknipst hat, greift der Urheberrechtsschutz, welcher grundsätzlich nur dem Urheber, also dem Fotografen, nach §19 a UrhG das Recht gibt, dieses Foto online zu stellen. Auch in diesen Fällen hat man also die Möglichkeit, rechtliche Schritte zur Löschung des störenden beziehungsweise rechtsverletzenden Inhalts einzuleiten. Eine weitere Problematik ist diesbezüglich dann im Internet natürlich immer auch die tatsächliche Durchsetzung der Rechte, die insbesondere dann vorliegt, wenn die Server in Ländern platziert sind, deren Rechtssystem eine Löschung vom Server nicht vorsieht.

Eigenes Hochladen

Die Situation ist aber in den Fällen besonders prekär, in denen man selbst für den nicht mehr endgültig zu löschenden Inhalt verantwortlich ist, weil man ihn einst eigenständig ins Netz gestellt hat.

Gerade die jüngere Generation hat auf diesem Sektor noch kein wirklich ausgeprägtes Problembewusstsein. Zumindest ist das Problembewusstsein anders gelagert als bei älteren Generationen. Man gewinnt nicht selten den Eindruck, dass es gerade das Ziel der jungen Internetnutzer ist, auf eigenen Profilen möglichst viele Fotos hochzuladen, die den Betroffenen in Situationen zeigen, die ihm später zumindest peinlich sind.

X-pire als Lösungsansatz?

Ein diesbezüglich neuer Lösungsansatz wurde jüngst durch den Saarbrücker Informatiker Michael Backes präsentiert: Das Programm X-pire wird als neuartiger „Radiergummi im Internet“ gehandelt und soll in den nächsten Wochen erhältlich sein. Die Software  verschlüsselt eingestellte Bilder und kann diese dann mit einer Art Ablaufdatum versehen. Nach Verstreichen dieses Ablaufdatums, welches individuell einstellbar ist, „verschwindet“ das entsprechend bearbeitete Bild dann aus dem Netz.

Was sich für den Laien zunächst wie Zauberei anhören mag, ist technisch schnell erklärt: Wird ein Bild über das Programm X-pire verschlüsselt, wird bei jedem Abruf des Fotos über einen Web-Browser eine Anfrage an einen sogenannten Schlüsselserver gesendet. Der Schlüsselserver meldet dann, ob das eingestellte Ablaufdatum schon erreicht ist oder nicht. Je nach Ergebnis der Anfrage durch die Software beim Schlüsselserver wird das Foto dann angezeigt oder nicht.

Begrenzter Schutzbereich des digitalen Radiergummis

Als erstes erkennt der geschulte Leser damit, dass nur vorher eigens durch die Software präparierte Bilder für diese „Radier-Vorgänge“ in Frage kommen. Der Lösungsansatz von X-pire passt dann wohl am ehesten für solche Bilder, die der Teenager aus seiner vogelfreien, wilden Zeit unbedingt einstellen möchte, um „dabei zu sein“, diese aber später zum Zeitpunkt der ersten Bewerbung bloß nicht mehr dem künftigen Personalchef präsentieren will.

Begrenzt ist der Schutzbereich von X-pire aber insbesondere wegen der nicht gegebenen Linearität des Internets und der sich daraus ergebenden Unberechenbarkeit dieses Mediums. Wird eine Internetseite in einer Form gespiegelt, welche die Verschlüsselung des Fotos umgeht oder wird von dem verschlüsselten Foto lediglich ein einfacher Screenshot gemacht, der dann wiederum als neue Datei ohne jegliche Verschlüsselung aber mit dem übernommenen Foto online gestellt, entfällt die verzögert-reinigende Wirkung des digitalen Radiergummis gänzlich.

Der Nutzer muss sich insofern bewusst sein, dass jede Veröffentlichung im Internet nicht mehr vollumfänglich zu kontrollieren ist, weil sie über das Internet gerade auch durch alle anderen Nutzer übernommen und modifiziert werden kann.

Abschließende Einschätzung von X-pire

Wenn man genaue Zielvorstellungen in Bezug auf die Nutzung von X-pire hat, kann die Software, welche beispielsweise für den Internetbrowser Firefox zwei Euro pro Monat kosten soll, ein interessanter Lösungsansatz für eine spätere Löschung des selbst eingestellten Foto-Contents sein.

Wenn man aber zu viel beziehungsweise das Falsche von der Software erwartet und vielleicht davon ausgeht, dass das Medium Internet hierdurch im Bereich der Bilderveröffentlichung in letzter Konsequenz kontrollierbar würde, wird nach Verstreichen des gesetzten Ablaufdatums vielleicht enttäuscht sein Foto an anderer Stelle im Netz auffinden.

Und dann womöglich sein Radiergummi voller Wut an die Wand schmettern. Oder einen Bleistift. (ha)

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Ein Radiergummi (ugs. auch Radierer, Ratzefummel) ist ein besonders zubereiteter Gummi, mit dem mit einem Bleistift oder mit Tinte erstellte Striche von einem Trägermedium (zumeist Papier) entfernt werden.

Jeder kennt inzwischen die Problematik, dass das Internet nichts vergisst. Wenn das Internet Peinlichkeiten, Umstände aus dem Privatleben oder sogar aus dem Intimleben perpetuiert, kann das für den Betroffenen äußerst unangenehme Folgen haben.

Hochladen durch Dritte

Wird der Inhalt durch Dritte ins Netz gestellt, gibt es verschiedene Ansätze dagegen rechtlich vorzugehen. Bei Bildnisveröffentlichungen ohne Einwilligung greift beispielsweise der besondere Persönlichkeitsschutz nach §§ 22, 23 KUG. Lädt ein Dritter ein Foto ins Netz, welches man selbst geknipst hat, greift der Urheberrechtsschutz, welcher grundsätzlich nur dem Urheber, also dem Fotografen, nach §19 a UrhG das Recht gibt, dieses Foto online zu stellen. Auch in diesen Fällen hat man also die Möglichkeit, rechtliche Schritte zur Löschung des störenden beziehungsweise rechtsverletzenden Inhalts einzuleiten. Eine weitere Problematik ist diesbezüglich dann im Internet natürlich immer auch die tatsächliche Durchsetzung der Rechte, die insbesondere dann vorliegt, wenn die Server in Ländern platziert sind, deren Rechtssystem eine Löschung vom Server nicht vorsieht.

Eigenes Hochladen

Die Situation ist aber in den Fällen besonders prekär, in denen man selbst für den nicht mehr endgültig zu löschenden Inhalt verantwortlich ist, weil man ihn einst eigenständig ins Netz gestellt hat.

Gerade die jüngere Generation hat auf diesem Sektor noch kein wirklich ausgeprägtes Problembewusstsein. Zumindest ist das Problembewusstsein anders gelagert als bei älteren Generationen. Man gewinnt nicht selten den Eindruck, dass es gerade das Ziel der jungen Internetnutzer ist, auf eigenen Profilen möglichst viele Fotos hochzuladen, die den Betroffenen in Situationen zeigen, die ihm später zumindest peinlich sind.

X-pire als Lösungsansatz?

Ein diesbezüglich neuer Lösungsansatz wurde jüngst durch den Saarbrücker Informatiker Michael Backes präsentiert: Das Programm X-pire wird als neuartiger „Radiergummi im Internet“ gehandelt und soll in den nächsten Wochen erhältlich sein. Die Software  verschlüsselt eingestellte Bilder und kann diese dann mit einer Art Ablaufdatum versehen. Nach Verstreichen dieses Ablaufdatums, welches individuell einstellbar ist, „verschwindet“ das entsprechend bearbeitete Bild dann aus dem Netz.

Was sich für den Laien zunächst wie Zauberei anhören mag, ist technisch schnell erklärt: Wird ein Bild über das Programm X-pire verschlüsselt, wird bei jedem Abruf des Fotos über einen Web-Browser eine Anfrage an einen sogenannten Schlüsselserver gesendet. Der Schlüsselserver meldet dann, ob das eingestellte Ablaufdatum schon erreicht ist oder nicht. Je nach Ergebnis der Anfrage durch die Software beim Schlüsselserver wird das Foto dann angezeigt oder nicht.

Begrenzter Schutzbereich des digitalen Radiergummis

Als erstes erkennt der geschulte Leser damit, dass nur vorher eigens durch die Software präparierte Bilder für diese „Radier-Vorgänge“ in Frage kommen. Der Lösungsansatz von X-pire passt dann wohl am ehesten für solche Bilder, die der Teenager aus seiner vogelfreien, wilden Zeit unbedingt einstellen möchte, um „dabei zu sein“, diese aber später zum Zeitpunkt der ersten Bewerbung bloß nicht mehr dem künftigen Personalchef präsentieren will.

Begrenzt ist der Schutzbereich von X-pire aber insbesondere wegen der nicht gegebenen Linearität des Internets und der sich daraus ergebenden Unberechenbarkeit dieses Mediums. Wird eine Internetseite in einer Form gespiegelt, welche die Verschlüsselung des Fotos umgeht oder wird von dem verschlüsselten Foto lediglich ein einfacher Screenshot gemacht, der dann wiederum als neue Datei ohne jegliche Verschlüsselung aber mit dem übernommenen Foto online gestellt, entfällt die verzögert-reinigende Wirkung des digitalen Radiergummis gänzlich.

Der Nutzer muss sich insofern bewusst sein, dass jede Veröffentlichung im Internet nicht mehr vollumfänglich zu kontrollieren ist, weil sie über das Internet gerade auch durch alle anderen Nutzer übernommen und modifiziert werden kann.

Abschließende Einschätzung von X-pire

Wenn man genaue Zielvorstellungen in Bezug auf die Nutzung von X-pire hat, kann die Software, welche beispielsweise für den Internetbrowser Firefox zwei Euro pro Monat kosten soll, ein interessanter Lösungsansatz für eine spätere Löschung des selbst eingestellten Foto-Contents sein.

Wenn man aber zu viel beziehungsweise das Falsche von der Software erwartet und vielleicht davon ausgeht, dass das Medium Internet hierdurch im Bereich der Bilderveröffentlichung in letzter Konsequenz kontrollierbar würde, wird nach Verstreichen des gesetzten Ablaufdatums vielleicht enttäuscht sein Foto an anderer Stelle im Netz auffinden.

Und dann womöglich sein Radiergummi voller Wut an die Wand schmettern. Oder einen Bleistift. (ha)

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