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Der EGMR stärkt der deutschen Presse den Rücken

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Des einen Leid ist des anderen Freud

Der EGMR urteilte am 07.02.2012 gleich zweimal zum Thema Menschenrechtsverletzungen durch die Presse und entschied beide Male zu Gunsten der Meinungsfreiheit der Presse.

Eine Adelige verliert den Kampf um ihre Urlaubsfotos

Zunächst scheiterte Prinzessin Caroline von Hannover mit einer Menschensrechtsbeschwerde gegen die Veröffentlichung eines Urlaubsfotos in der Zeitschrift „Frau im Spiegel“ (EGMR, Urteil vom 07.02.2012, Az. 40660/08).

Das Urlaubsfoto zeigte sie in Begleitung von Fürst Rainier von Monaco bei einem Spaziergang während seines Skiurlaubs in St. Moritz. Das Foto stand im Zusammenhang mit einem Artikel über eine Erkrankung des Fürsten. Zunächst scheiterte Caroline von Hannover vorm BGH, da er der Auffassung war, dass die Erkrankung des Fürsten von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse sei.

Personen der Zeitgeschichte müssen viel erdulden

Prinzipiell dürfen Fotos von Personen nicht gegen deren Einwilligung veröffentlicht werden. Eine Ausnahme kann jedoch bei Personen der Zeitgeschichte gemäß § 23 I Nr. 2 KUG vorliegen. Das sind solche Personen die für den Betrachter Zeitgeschichte repräsentieren. Dabei ist der Begriff der Zeitgeschichte im weitesten Sinne zu verstehen. Unter den Begriff der Zeitgeschichte fallen alle Erscheinungen im Leben der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, die von der Öffentlichkeit beachtet werden, bei ihr Aufmerksamkeit finden und die Gegenstand der Teilnahme oder Wissbegier dieser sind. Dies ist bei Personen zu bejahen, die in der Öffentlichkeit stehen, weil sie zum Beispiel prominent oder royal sind, wie Caroline von Hannover. Der BGH bejahte also diesen Gesichtspunkt für die Fotos der Caroline von Hannover und entschied, dass der Gesundheitszustand des mittlerweile verstorbenen Fürsten von allgemeinem Interesse sei,  daher dürften auch Bilder veröffentlicht werden, die die Verarbeitung dieser familiären Belastung betreffen.

Die Verfassungsbeschwerde von Prinzessin Caroline wies das BVerfG ab. Vor dem EGMR rügten Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August von Hannover eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) dadurch, dass die deutschen Gerichte die Veröffentlichung des umstrittenen Fotos nicht verhindert hatten. Sie stützten ihre Argumentation auch auf das EGMR-Urteil im Verfahren Caroline von Hannover gegen Deutschland von 2004. Die deutschen Gerichte hätten dies missachtet. Der EGMR wies damals daraufhin, dass  bei veröffentlichten Fotos, welche Personen der Zeitgeschichte zeigen, zumindest ein gewisser Beitrag vorliegen muss, der zu einer Debatte mit Sachgehalt führt. Ein solcher Beitrag fehle, wenn keine offiziellen Funktionen erfüllt und die streitgegenständlichen Fotos und Artikel sich ausschließlich auf Einzelheiten aus dem Privatleben beziehen würden und allein die Neugier der Leser befriedigen sollten (EGMR, Urteil vom 24.06.2004, Az.: 59320/00).

Jetzt hat der EGMR eine Verletzung von Art. 8 EMRK verneint. Die deutschen Gerichte haben nach seiner Ansicht sorgfältig zwischen dem Recht der Presse auf freie Meinungsäußerung und dem Recht der Caroline von Hannover auf Achtung ihres Privatlebens abgewogen. Hierbei soll das Urteil des EGMR aus dem Jahr 2004 ausreichend berücksichtigt worden  sein. Der BGH habe unterstrichen, dass je größer der Informationswert für die Allgemeinheit sei, desto geringer der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen vor der Veröffentlichung wiege. Umgekehrt wiege das Interesse des Lesers an Unterhaltung grundsätzlich geringer als das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre. Auch das Bundesverfassungsgericht habe dies bestätigt.

Ein Verlag gewinnt den Streit um seine Berichterstattung

Weiter gewann der Axel Springer Verlag in einem zweiten Verfahren vor dem EGMR (EGMR, Urteil vom 07.02.2012, Az. 39954/08), indem er für die Verletzung seiner Meinungsäußerungsfreiheit eine Entschädigung zugesprochen bekam. Die Bildzeitung hatte über die Festnahme eines Schauspielers (TV Komissar „Balko“), wegen Kokainbesitzes auf dem Oktoberfest berichtet.

In dem Artikel wurde davon berichtet, dass der bekannte TV-Kommissar bereits im Juli 2000 eine Haftstrafe auf Bewährung wegen Drogenbesitzes erhalten hatte. Im Juli 2005 berichtete die Bild-Zeitung in einem weiteren Artikel, dass der Schauspieler nach einem Geständnis wegen illegalen Drogenbesitzes zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Das Landgericht Hamburg untersagte der Bild-Zeitung 2005 jede weitere Veröffentlichung von Artikeln solchen Inhalts. Es vertrat die Ansicht, dass das Recht des Schauspielers auf Achtung seines Privatlebens, das öffentliche Interesse an der Information überwiege, obwohl die Berichterstattung der Wahrheit entsprach. Die Gerichte haben immer in Fall, dass über eine Person in der Presse berichtet wird, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen mit dem Recht der Pressefreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit abzuwägen. Wobei das Recht der Presse zur Berichterstattung stets verneint wird, wenn die Berichterstattung unwahr ist. Nach Ansicht des Landgerichts überwog somit das Recht des Schauspielers gegenüber dem der Bild-Zeitung. Die berichtete Straftat sei nicht schwer und es gebe kein besonderes Interesse der Öffentlichkeit, über das Vergehen des Schauspielers informiert zu werden. Das OLG Hamburg und der Bundesgerichtshof bestätigten das Urteil. Genauso verlief ein zweites Verfahren der Bildzeitung indem es um einen weiteren Artikel mit dem gleichen Inhalts ging. Daraufhin erhob die Bild-Zeitung Verfassungsbeschwerde, welche das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zur Entscheidung annahm. Die Bild-Zeitung begründete ihre Beschwerde damit, dass das gerichtliche Verbot der weiteren Veröffentlichung der beiden Artikel seine Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK verletze.

Der EGMR gab dieser Beschwerde statt. Die Meinungsäußerungsfreiheit der Bild-Zeitung sei tatsächlich durch die Urteile verletzt worden. Aufgrund des Bekanntheitsgrades des in Rede stehenden Schauspielers sei die Berichterstattung der Bildzeitung nicht zu beanstanden gewesen. Insbesondere würden  die besonderen Umstände seiner Verhaftung auf dem Oktoberfest in der Öffentlichkeit das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hervorrufen. Zudem habe der Schauspieler bereits vorab Teile seines Privatlebens in Interviews preisgegeben und somit auf den Schutz seiner Privatsphäre verzichtet.

Zudem begründete es auch diese Entscheidung wieder damit, dass die Berichterstattung einen ausreichenden Sachgehalt als Fundament gehabt habe und somit nicht nur die Neugier der Leser bezüglich des Privatlebens befriedigen sollte.

Gemeinsamkeit der Entscheidungen und Schwierigkeiten

Der EGMR ist in beiden Entscheidungen der Voraussetzung treu geblieben, dass Presseberichterstattung immer einen zur Debatte in der Öffentlichkeit geeigneten Sachbezug aufweisen muss und nicht bloße Berichterstattung mit Bezug auf das Privatleben eines Einzelnen darstellen darf.

Die Grenzen davon sind jedoch nicht klar zu ziehen. Wird im Urteil hinsichtlich des in der Öffentlichkeit festgenommenen Schauspielers, der eigenständig Teile seines Privatlebens in Interviews preisgab und noch dazu der Strafverfolgung unterworfen war, noch deutlich warum hier das öffentliche Interesse an der Berichterstattung gegeben sein soll, so fällt es doch schwer dieses bei Urlaubsfotos mit einem erkrankten Familienangehörigen zu bejahen. Diese Wertung scheint auch im Hinblick darauf zweifelhaft, dass Caroline sich bereits vorab gegen die Veröffentlichung ihrer Person in der Presse  gewehrt hat und sich somit gerade gegensätzlich zu dem Schauspieler verhalten hat. Die Adligen ziehen bei dieser rechtlichen Bewertung den Kürzeren, da sie aufgrund ihrer Eigenschaft als Person des Zeitgeschehens, der durch ihre  Ebfolge herbeigeführt wird, nicht die Möglichkeit haben, über die Offenlegung ihres Privatleben zu disponieren.

Das geht in dem Fall sogar so weit, dass ein Erholungurlaub eines todkranken adeligen Angehörigen, der eigentlich dazu dienen sollte seine restliche Lebenszeit  mit schönen Augenblicken auszuschmücken, zur öffentlichen Sache wird. (jr) 

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